Was vom Menschen bleibt

Die Reliquien der seligen Clara Fey werden in der Kapelle der Schwestern vom armen Kinde Jesus verehrt

Von Ruth Schlotterhose

Am 5. Mai wurde Clara Fey in Aachen seliggesprochen. Ihre sterblichen Überreste sind in der Kind-Jesus-Kapelle beigesetzt worden, die eigens zu diesem Anlass umgebaut wurde. Inzwischen ist der Hype um das große Ereignis abgeklungen. Zeit, um einmal in aller Ruhe das unscheinbare Gotteshaus an der Aachener Jakobstraße zu besuchen.

Von außen kaum als Kirche zu identifizieren, weist nur ein Relief über der offen stehenden Tür auf den Eingang hin. Neugierig stoße ich die Glastür auf, die ins Innere führt. Eine gebogene Stelenwand verhindert, dass der Blick gleich ins Weite schweift. In einigen Nischen der Säulen brennen Kerzen, eine der Stelen trägt einen kastenförmigen Schrein: Hier sind die Reliquien der seligen Clara Fey geborgen. Von einem überlebensgroßen Porträt schaut sie dem Besucher entgegen, freundlich-ernst, aber auch wissend ist ihr Blick. So sah also der Mensch aus, der hier verehrt wird. Der sich damals in Aachen der Not der Arbeiterkinder erbarmte. Die Nähe zu dem Reliquienschrein lässt die damaligen Ereignisse seltsam lebendig werden. Wie viel Elend haben diese Augen wohl gesehen! Als Tochter aus einer wohlhabenden Familie hätte Clara Fey ein Leben im Überfluss führen können. Aber sie hat es nicht getan. Sie hat nicht nur die Ungerechtigkeit des Systems angeprangert – sie ist aktiv geworden.

Könnten wir Menschen heute uns nicht eine Scheibe von dieser Courage abschneiden? Allzu oft rufen wir nach „dem Staat“ „der Politik“, wenn wir auf einen Missstand aufmerksam werden. Was wenn wir selbst einmal die Initiative ergriffen?Der schlichte Raum unter der Orgelempore, gestaltet in verschiedenen Grautönen, ist reduziert auf das Wesentliche. Das gibt den Gedanken Raum. Durch die Stelen hindurch erhasche ich einen Blick auf das Kreuz im Chorraum der Kapelle, obwohl es sich noch hinter einer Betonwand befindet. Ein Bild mit Symbolcharakter: Vielleicht ist es Clara Fey so ergangen: Auch wenn sie ihn nicht sah, wusste sie, dass Gott gegenwärtig ist. Angesichts des Elends der Arbeiterkinder hat sie nicht danach gefragt, wie Gott so etwas zulassen kann. Sondern im Wissen darum, dass er irgendwie da ist, hat sie die Ärmel hochgekrempelt.

Etwas irritiert von meinen Gedanken umrunde ich die Stelen und trete ins Sonnenlicht. Es strahlt durch den Kranz von Fenstern, der die schmucklosen weißen Wände krönt. Die vorhin schon entdeckte Mauer aus Beton verhindert den direkten Blick in den Chorraum. Sie ist allerdings so geschickt durchbrochen, dass das große Kruzifix aus Holz – das Wesentliche – stets sichtbar bleibt.

 

 

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